Déjà-vu der teuren Art: Warum Unternehmen bei der KI-Transformation dieselben Milliardenfehler wiederholen

Déjà-vu der teuren Art: Warum Unternehmen bei der KI-Transformation dieselben Milliardenfehler wiederholen

Es ist zum Verzweifeln. Da schaue ich auf die aktuellen KI-Implementierungen und denke mir: Haben wir wirklich nichts gelernt?

74% aller KI-Projekte scheitern. Exakt derselbe Prozentsatz wie bei den Digitalisierungsprojekten der 2010er Jahre. Nach einer Dekade voller gescheiterter ERP-Systeme, abgebrochener Cloud-Migrationen und verpuffter Digital-Budgets machen Unternehmen heute wieder genau die gleichen Fehler - nur diesmal mit KI statt mit klassischer IT.

Das Absurde daran? Die Hälfte der Unternehmen, die Menschen durch KI ersetzt haben, bereuen diese Entscheidung bereits und stellen wieder ein. Das ist die größte dokumentierte Strategieumkehr in der Geschichte der KI-Adoption. Und wir reden hier nicht von Start-ups, die experimentieren. Wir reden von McDonald's, Klarna, IBM - Unternehmen, die es eigentlich besser wissen müssten.

Deutschland macht den gleichen Fehler nochmal

Schauen wir uns Deutschland an. Nur 20% der deutschen Unternehmen nutzten 2024 überhaupt KI-Technologien. Ein Drittel aller Unternehmen hat keinerlei KI-Pläne. Das, obwohl die Bundesregierung 500 Millionen Euro KI-Förderung bereitgestellt hat.

Kommt dir das bekannt vor? Mir schon. Genauso lief es bei der Digitalisierung ab 2010. Während amerikanische Konkurrenten ihre Geschäftsmodelle komplett umkrempelten, warteten deutsche Unternehmen ab. "Schauen wir mal, was passiert", ist die Devise. Heute, 15 Jahre später, dominieren amerikanische Tech-Giganten wieder bzw. immernoch ganze Branchen. Der Bitkom bringt es auf den Punkt, mit demselben Satz, den man auch schon 2015 über die Digitalisierung hätte sagen können

"Der Transfer von Erkenntnissen aus der Wissenschaft in die Industrie ist vielleicht die größte Schwäche in Deutschland." Bitkom

Die Katastrophen passieren schon heute

McDonald's und der 260-McNuggets-Alptraum

Wer kann sich nicht daran erinnern? McDonald's war so stolz auf ihre KI-Revolution. Drei Jahre lang arbeiteten sie mit IBM zusammen, um KI-gesteuerte Drive-Thru-Bestellungen zu entwickeln. Die Technologie war beeindruckend, die Vision klar: Schnellere Bestellungen, weniger Personalkosten, zufriedenere Kunden. Klassisches PowerPoint-Erfolgs-Slide.

Im Juni 2024 war dann alles vorbei. Ohne große Ankündigung beendete McDonald's die Partnerschaft. Warum? Das System bestellte 260 Chicken McNuggets für eine einzige Person. Es fügte Bacon zu Eiscreme hinzu. Kunden filmten diese Pannen und machten sie auf TikTok viral - ein PR-Alptraum.

Das Problem war nicht die Technologie. Das Problem war der Ansatz: Technologie zuerst, Kundenbedürfnisse später. Genau der gleiche Fehler, den Unternehmen bei ERP-Implementierungen gemacht haben - großartige Software, aber niemand dachte daran, wie Menschen sie tatsächlich nutzen würden.

Klarna: Vom KI-Vorreiter zum Realitätscheck

Klarna ist noch interessanter. Im Februar 2024 prahlte CEO Sebastian Siemiatkowski, dass ihre KI die Arbeit von 700 Kundenservice-Mitarbeitern übernommen hätte. 40 Millionen Dollar Einsparungen, verkündete er stolz. Die Medien feierten Klarna als KI-Vorreiter.

Drei Monate später war die Begeisterung verflogen. "Es ist kritisch, dass Kunden immer mit einem Menschen sprechen können, wenn sie wollen", ruderte Siemiatkowski zurück. Klarna stellte wieder Menschen ein. Der Grund? Die pure KI-Fokussierung führte zu "niedrigerer Qualität" beim Kundenservice. Die angeblichen 40 Millionen Dollar Einsparungen? Verpufft. Spannend.

IBM: Die 200-Millionen-Dollar Lehrstunde

IBM machte es noch dramatischer. 2023 entließen sie etwa 8.000 HR-Mitarbeiter und ersetzten sie durch "AskHR", ein KI-System. Die ersten Zahlen sahen fantastisch aus: 94% Automatisierungsrate, der Net Promoter Score (NPS) stieg von minus 35 auf plus 74.

Dann kam die Realität. Die 6% nicht automatisierbaren Fälle - sensible Arbeitsplatzthemen, ethische Dilemmata, emotional aufgeladene Gespräche - führten zu katastrophalen Service-Lücken. IBM stellte am Ende mehr Menschen ein, als sie ursprünglich entlassen hatten, und zahlte dabei das Drei- bis Fünffache der ursprünglichen Kosten. Verrückt.

Es ist exakt das gleiche Muster wie damals

Wenn ich diese Geschichten höre, bekomme ich Déjà-vu-Gefühle. Die Parallelen zur gescheiterten Digitalisierung der 2010er Jahre sind erschreckend präzise.

Damals implementierten Unternehmen ERP-Systeme und digitale Lösungen, weil ihre Konkurrenten es auch taten - nicht, um spezifische Probleme zu lösen. Heute adoptieren 37% der Führungskräfte KI-Tools ohne klare Erfolgskennzahlen. Wieder derselbe "Lösung sucht Problem"-Ansatz.

Bei Change Management wiederholt sich die Geschichte eins zu eins. In den 2010ern nutzen die Hälfte der Verkäufer die teuer implementierten CRM-Systeme einfach nicht, weil sie nie richtig geschult wurden und den Sinn nicht verstanden. Heute erwarten 60% der Organisationen, dass sich Mitarbeiter selbst in KI fortbilden. Die drei größten KI-Hürden? Organisatorisches Change Management, Vertrauenslücken bei Mitarbeitern und Kompetenzdefizite.

Die historischen Desaster sprechen für sich: General Electric schrieb 22 Milliarden Dollar für GE Digital ab. Hershey verlor 100 Millionen Dollar durch eine beschleunigte ERP-Einführung. HP büßte 160 Millionen Dollar durch mangelhafte Systemintegration ein.

Heute sehen wir: McDonald's komplette IBM-Investition ist abgeschrieben, Klarna macht eine teure Strategieumkehr, Google kämpfte bis vor kuzem noch mit mit Gemini's Bias-Problemen. Identische Grundursachen, nur andere Technologie.

Aber es geht auch anders - die Erfolgsgeschichten

Zum Glück gibt es auch Unternehmen, die es richtig machen. Und interessant ist: Sie alle haben aus den Digitalisierungsfehlern gelernt.

Microsoft: Human-centered, Technology Follows

Christopher Fernandez, VP bei Microsoft, hat etwas Faszinierendes gemacht. Statt KI von oben aufzuzwingen, führte er eine dreistufige human-zentrierte Implementierung durch.

Zuerst ließ er Teams mit einfachen Automatisierungstools experimentieren - nicht um Arbeitsplätze zu ersetzen, sondern um Vertrauen aufzubauen. Er schuf "Citizen Developer" als Champions, die ihre Kollegen unterstützten. Dann wartete er. Statt strategische Leitlinien zu diktieren, ließ er die Mitarbeiter selbst herausfinden, wo KI wirklich hilft. Erst als klar war, was funktioniert, implementierte er KI-Tools systematisch.

Das Ergebnis? Signifikante Verbesserungen bei Effizienz, Zykluszeiten, Mitarbeiterzufriedenheit und Wohlbefinden. Kein einziger Arbeitsplatz ging verloren - im Gegenteil, die Menschen wurden produktiver und zufriedener.

DBS Bank: Aus beiden Transformationen lernen

Piyush Gupta von der DBS Bank ist vielleicht der einzige CEO, der beide Transformationen erfolgreich gemeistert hat. 2014 war DBS als "Damn Bloody Slow" verschrien. Heute ist sie zweimaliger Gewinner der "World's Best Digital Bank".

Guptas Geheimnis? Er behandelte die Digitalisierung als Kulturwandel, nicht als IT-Projekt. Und bei der KI macht er dasselbe: Über 1.000 KI-Experimente jährlich, 1.000 Datenwissenschaftler, 18.000 geschulte Mitarbeiter, 400 KI-Anwendungsfälle in Produktion.

"Wir müssen dieselben Fähigkeiten wie die Digital Natives haben. Dann können wir mit ihnen konkurrieren und weiter innovieren." - Piyush Gupta, CEO von DBS Bank

Deutsche Bank: Das Fundament muss stimmen

Bernd Leukert, CTO der Deutschen Bank, erkannte früh: "Die Cloud bietet die immense Rechenleistung, die für künstliche Intelligenz benötigt wird." Statt direkt mit KI zu starten, migrierte die Bank erst 260 Anwendungen in die Google Cloud. Erst dann kam die KI. Das Ergebnis: 97% Genauigkeit bei Dokumentenverarbeitung, 40% weniger Bearbeitungszeit, 6.000 geschulte Mitarbeiter. Weil das Fundament stimmte.

Die vergessene 70-20-10 Regel

Hier wird es richtig absurd. Die Boston Consulting Group hat herausgefunden, dass 70% der KI-Implementierungsherausforderungen Menschen und Prozesse betreffen, 20% Technologie und nur 10% Algorithmen. Und was machen die meisten Unternehmen? Sie investieren 80% ihrer Ressourcen in Technologie und nur 10% in Change Management. Exakt derselbe Fehler wie bei den gescheiterten Digitalisierungsprojekten. Es ist, als würde man ein Haus bauen und 80% des Budgets für die Farbe ausgeben, aber das Fundament vergessen.

Was man jetzt sofort anders machen kann

Lass mich konkret werden. Was kannst du als Entscheider sofort ändern?

Höre auf, Technology-first zu denken. Beginne mit dem Geschäftsproblem. Frage nicht "Wie können wir KI einsetzen?", sondern "Welches Problem wollen wir lösen, und ist KI die beste Lösung dafür?" Manchmal ist die Antwort nein - und das ist völlig in Ordnung.

Investiere massiv in Change Management. 70% der Ressourcen sollten in Menschen und Prozesse fließen. Schule nicht nur die IT-Abteilung, sondern alle Mitarbeitende, die mit KI in Berührung kommen. Und zwar richtig, nicht mit einem kurzen Online-Kurs.

Lerne aus der Digitalisierung. Implementiere phasenweise, nicht als "Big Bang". Behalte immer menschliche Aufsicht bei. Und um Himmels willen: Teste alles gründlich, bevor es live geht.

Für deutsche Unternehmen kommt noch hinzu: Überwinde endlich die Lücke zwischen Wissenschaft und Industrie. Wir haben fantastische KI-Forschung, aber sie kommt nicht in den Unternehmen an. Das muss sich ändern.

Die Kosten des Nichtstuns

Die finanziellen Verluste sind jetzt schon massiv. Klarna's 40 Millionen Dollar Einsparungen wurden durch Qualitätsprobleme zunichtegemacht. McDonald's dreijährige IBM-Investition ist komplett abgeschrieben. IBM zahlte das Drei- bis Fünffache für ihre Entlassungs- und Wiedereinstellungszyklen.

Aber der Reputationsschaden wiegt noch schwerer. Google kämpfte mit Gemini's Bias-Problemen. McDonald's KI-Pannen gingen viral. Air Canada musste sogar vor Gericht, weil ihr Chatbot falsche Versprechungen machte. Diese Marken-Schäden dauern Jahre.

Drei Dinge machen den Unterschied

Wir stehen an einem Scheideweg. Die erfolgreichen 26% der Unternehmen, die über Proof-of-Concepts hinauskommen, haben drei Dinge gemeinsam: Sie behandeln Menschen als Partner, nicht als Hindernisse. Sie beginnen mit Geschäftsproblemen, nicht mit Technologie-Features. Und sie investieren mehr in Change Management als in Algorithmus-Optimierung.

Für deutsche und europäische Entscheider ist die Frage existenziell: Wiederholen wir die teuren Digitalisierungsfehler mit noch teureren KI-Technologien? Oder nutzen wir die historischen Lektionen für eine menschenzentrierte, strategische KI-Transformation? Die Antwort entscheidet über Wettbewerbsfähigkeit, Mitarbeiter-Engagement und letztendlich das Überleben in der KI-Ära.

Die Fehler der Digitalisierung waren teuer. Die Fehler der KI-Transformation werden existenzbedrohend sein. Aber sie sind vermeidbar - wenn wir endlich aus der Vergangenheit lernen.

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